"Tierarztmangel" in Deutschland – Beschreibung und Lösungsansätze

(Wörlitzer Memorandum)

Anfang September 2022 lud der Dessauer Zukunftskreis (DZK) seine Mitglieder und rund 30 Gäste nach Wörlitz ein; dort trafen sich Kollegen aus tierärztlicher Praxis, Verwaltung, Hochschule und Industrie sowie Vertreter aus Verbänden und einzelnen Landestierärztekammern inklusive einer Delegation aus Österreich. Im Mittelpunkt des zweitägigen Treffens standen Referate und Diskussionen über die Zukunft der Veterinärmedizin vor dem Hintergrund eines bedrohlich zunehmenden Personalmangels. Am zweiten Tag wurden gemeinschaftlich 14 Themenfelder erarbeitet, jeweils aufbereitet als Forderung mit Lösungsansätzen und ergänzt um eine Auswahl an zuständigen Akteuren. Am Ende des zweiten Tages fanden alle 14 Themen Konsens nach Diskussion und Abstimmung. Außerdem wurde beschlossen, die Ergebnisse in einem „Wörlitzer Memorandum“ (WM) übersichtlich zusammenzufassen und anschließend zu publizieren.

In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Kurative Praxis, öffentliches Veterinärwesen und akademische Einrichtungen klagen schon lange über einen Mangel an tierärztlichen Arbeitskräften. So wird die Versorgung der Haus-, Heim- und Nutztiere in Deutschland laut jährlich aktualisierter Tierärztestatistik von rund 22.000 Tierärzten in etwa 12.000 Praxen gestemmt. Etwas mehr als die Hälfte der Tierärzte (ca. 12.000) sind niedergelassene Praxis- und Klinikeigentümer, die neben der Patientenversorgung auch die Verantwortung für das Praxismanagement tragen. Auf der anderen Seite stehen alleine rund 35. Mio. Haustiere, die versorgt werden wollen, Tendenz steigend mit zum Teil zweistelligen Wachstumsraten. Pferde, Kühe, Schweine, Schafe und Geflügel kommen „on top“. Im öffentlichen Bereich werden viele Stellen nur noch als Teilzeitstellen ausgeschrieben und aus dem universitären Bereich wird gemeldet, dass an den fünf deutschen Hochschulstandorten zahlreiche Professuren unbesetzt bleiben.

Unmittelbare Folgen sind ein zunehmend eingeschränktes Dienstleistungsangebot und die Gefahr von Behinderungen bei der Umsetzung veterinärbehördlicher Aufgaben sowie Einbußen in der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Forschung und Lehre. Auf Ebene der tierärztlichen Praxis verschärft sich die Problematik noch, wenn mit Erreichen des Rentenalters keine Nachfolge in Sicht ist.

Hinter dieser knappen Zustandsbeschreibung steckt aber deutlich mehr als nur eine von vielen Klagen über den Fachkräftemangel in Deutschland im Jahr 2022. Denn die Veterinärmedizin ist nicht irgendein Dienstleistungsbereich, dem andere Wirtschaftszweige vor- oder nachgelagert sind. Zwar nimmt die Öffentlichkeit den tierärztlichen Beruf fast ausschließlich im Kontext der kurativen Tätigkeit an Haus-, Heim- und Nutztieren wahr – wichtig genug und historisch sicherlich eine der Hauptaufgaben dieses freien Berufes. Tatsächlich aber ist das Spektrum an Tätigkeiten, zu denen das Studium der Veterinärmedizin befähigt, sehr viel größer: So arbeiten viele Tierärzte auch an kritischen Schlüsselstellen öffentlicher Einrichtungen des Veterinär- und Gesundheitswesens (RKI, BfR, FLI). Weitere Schlüsselpositionen nehmen sie in Lebensmittelproduktion und -überwachung sowie in Industrie und Forschung und Lehre ein. Der kurativen Tätigkeit des praktizierenden Tierarztes kommt aber umso mehr Bedeutung zu, als der Tierarzt in besonderer Weise dem 2002 im Grundgesetz verankerten Staatsziel Tierschutz verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund bekommt das Szenario „Tierärztemangel“ eine herausragende gesellschaftliche und politische Relevanz.

Tierhalter nehmen die Auswirkungen dieser Versorgungskrise sicherlich am eindringlichsten wahr; in manchen Regionen sogar dramatisch: So ist die Zahl der Kleintierkliniken mit einer 24-Stunden-Versorgung in Deutschland zwischen 2015 und 2020 um etwa 30% gesunken, Tendenz weiter fallend. Diese Praxen bieten mit der Aufgabe des Klinikstatus ihre Dienstleistung mit nur noch zu eingeschränkten Öffnungszeiten an.  Zahlreiche tierärztliche Praxen verhängen aufgrund von Personalmangel sogar einen Aufnahmestopp zu regulären Sprechzeiten. Versorgungslücken entwickeln sich vor allem im ländlichen Raum. Scheinbar bieten Nutztier- und Pferdepraxen nicht genügend Work-Life-Balance, um vor allem für junge Arbeitnehmer attraktiv zu sein. Hinzu kommt der allgemein zu beobachtende Trend von Vollzeit- zu sehr gut bezahlten Teilzeitstellen mit mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Lebenszeit; der Anteil der Teilzeitstellen beträgt aktuell bereits 35% und steigt weiter. Diese Beschreibung zeigt aber nur einen kleinen Ausschnitt des sehr komplexen Ursache-/ Wirkungsgeflechtes hinter einer Versorgungskrise, der vor allem im Kleintierbereich ein über die letzten Jahre enorm gestiegener Versorgungsbedarf gegenübersteht. Gleichzeitig erstaunt es, dass der Anteil der Studienanfänger unverändert bleibt: Studienplätze in der Veterinärmedizin sind nach wie vor begehrt. Und so offenbart eine differenziertere Betrachtung der Zusammenhänge, dass der Begriff „Tierärztemangel“ nur bedingt zutreffend ist. Trotz lückenhafter Zahlen zur Statistik scheint es daher richtiger, von einer Versorgungskrise auf Grund fehlender Arbeitszeitäquivalente zu sprechen. Im Klartext: Die ausgebildeten Tierärzte und Tierärztinnen gehen dem Berufsstand aus verschiedensten Gründen verloren.

Die Autoren betonen, dass sowohl Ursachen als auch Lösungsansätze einerseits im Berufsstand selbst und andererseits in den politischen Rahmenbedingungen zum Thema „Arbeit“ zu suchen sind. Schließlich spielen auch diverse gesellschaftliche, d.h. sozio-kulturelle Aspekte eine Rolle. Daraus folgt außerdem, dass verschiedenste Ansprechpartner für die Einleitung von Gegenmaßnahmen identifiziert werden müssen.

Das Wörlitzer Memorandum beschreibt 14 relevante Themenfelder zur Versorgungskrise in der Tiermedizin in Form von Forderungen, skizziert Lösungsansätze und schlägt  Akteure vor.

Das Ziel:
In Deutschland müssen mehr Studienkapazitäten geschaffen werden, so dass mehr Tierärzte approbiert werden und dem Arbeitsmarkt nach Abschluss einer postgradualen Qualifikation zur Verfügung stehen.

Tierärztliche Aufgaben sind wesentlicher Bestandteil des Staatszieles Tierschutz: Nach Artikel 20a) des Grundgesetzes schützt der Staat „auch in Verantwortung für künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Außerdem müssen die personellen Voraussetzungen gegeben sein, dass der Tierarzt die öffentlichen Aufgaben für Mensch und Tier wahrnehmen kann. Die Berufsordnung formuliert hierzu in Paragraph 1 (allgemeine Rechtsstellung, z.B. Bayern):
„(1) Der Tierarzt ist berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken; damit dient er zugleich der menschlichen Gesundheit. Der Tierarzt hat ebenso die Aufgabe zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt, die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sowie nicht vom Tier stammender Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sicherzustellen. Der Tierarzt ist der berufene Schützer der Tiere“.

Lösungswege und Akteure:

  • Die Ausbildungskapazitäten und Budgets an den Universitäten in Deutschland müssen erhöht werden, um mehr Tierärzte zu approbieren.
  • Es muss vorbehaltslos geprüft werden, ob private Universitäten oder eine zusätzliche Fakultät Entlastung schaffen könnten.
  • Der kostenintensive Studiengang „Veterinärmedizin“ muss an eine tatsächliche Berufsausübung in einem veterinärmedizinischen Umfeld gekoppelt werden.
  • Die postgraduale Qualifikation sollte entsprechend dem gewünschten Arbeitsgebiet durch strukturierte – z.B. universitäre – Angebote (nichtkonsekutiver Master, Fachtierarzt) erweitert werden, so dass zusätzliche Arbeitsfelder erschlossen werden.

Notwendige Akteure sind Universitäten, die Bundestierärztekammer, der bpt und die DVG.

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Das Ziel:
Der öffentliche Veterinärdienst benötigt mehr Personalkapazitäten, damit die dort angesiedelten Aufgaben entsprechend ihrem politischen und gesellschaftlichen Auftrag ausgefüllt werden können und motivierten Berufseinsteiger attraktive Perspektiven haben.

Eine Kleine Anfrage im Bundestag zur Häufigkeit der Veterinärkontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben ergab: Bundesweit finden im Durchschnitt nur etwa alle 17 Jahre Kontrollen im Hinblick auf die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen statt. Einerseits fehlen die notwendigen gesetzlichen Instrumente wie ein bundesweit einheitliches Bewertungsverfahren zur Kontrollhäufigkeit. Andererseits steht der Öffentliche Dienst mit anderen veterinärmedizinischen Sparten in Konkurrenz um die begrenzte Anzahl von Arbeitnehmern. 

Lösungswege und Akteure:

  • Intensive Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung zu den vielfältigen Aufgaben des öffentlichen Veterinärdienstes (öVetD), um bereits an den veterinärmedizinischen Bildungsstätten mehr Interesse zu wecken.
  • Harmonisierung und Vereinfachung der Zugangsbedingungen zum öVetD in den Ländern.
  • Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes, den die Dienstherren interessant, effektiv und stressarm gestalten müssen. Geeignete Maßnahmen wären beispielsweise ein Mentoring, eine umfassende Digitalisierung der Arbeitsprozesse, moderne Arbeitszeitmodelle und eine zielorientierte Qualifizierung der Führungskräfte.
  • Es werden dringend verbindliche Vorgaben für die Kontrollhäufigkeit und -intensität in den Bereichen Tierschutz- und Tiergesundheitsüberwachung benötigt. Der Bundesverband der beamteten Tierärzte e. V. hat wiederholt Forderungen in dieser Richtung erhoben. Diese Forderung richtet sich vornehmlich an die Bundesregierung und die Länder, die eine solche AVV entwickeln bzw. ihr im Bundesrat zustimmen müssten. Aus einer solchen AVV kann dann der Personalbedarf solide abgeleitet werden.

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Das Ziel:
Die Zahl der Lehrenden an den veterinärmedizinischen Ausbildungsstätten muss erhöht werden.

Die Aufgaben eines Tierarztes können nur über ein universitäres Studium vermittelt und erworben werden. Vermittler sind die Lehrenden an den Universitäten. Zahlreiche Studien und die periodischen Evaluationsberichte der EAEVE (European Association of Establishments for Veterinary Education) über die universitären Bildungsstätten in Europa belegen, dass in Deutschland der Schlüssel “Lehrer:Studierende“  unterhalb des europäischen Mittelwertes liegt.
Im Klartext: In Deutschland lehrt ein Dozent wesentlich mehr Studierende als in anderen EU-Staaten.

Lösungswege und Akteure:

  • „Wissenschaftlichkeit“ ist eine tiermedizinische Kernkompetenz. Trotz des breiten Pflichtcurriculums müssen von Beginn an Freiräume geschaffen werden, damit die Studierenden sich intensiver wissenschaftlich betätigen können und einen Zugang zur Hochschullandschaft finden.
  • Die Qualifikationswege von Tierärzten sind sehr lang. An der Wissenschaft interessierte Studierende müssen frühzeitig während des Studiums gefunden und gefördert werden. Es werden entsprechende Stipendien und in Vollzeit finanzierte Doktorandenstellen benötigt.
  • Für die veterinärmedizinischen Nachwuchswissenschaftler (Veterinary Scientist) müssen attraktive Karrierewege und langfristige Karriereaussichten aufgezeigt werden.

Die an dieser Stelle geforderten Akteure sind die Universitäten sowie der Veterinärmedizinische Fakultätentag.

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Das Ziel:
Die Branche benötigt mehr belastbare Zahlen, um die Situation der Veterinärmedizin in Deutschland zu beschreiben und auf dieser Grundlage belastbare Zukunftsszenarien zu entwickeln.

Die von den Landestierärztekammern jährlich geführte und von der Bundestierärztekammer (BTK) veröffentlichte Statistik zur Tierärzteschaft in Deutschland stellt aktuell die einzige umfassende Quelle für Erhebungen zum Berufsstand dar. Andere statistische Arbeiten befassen sich zwar mit Teilfragestellungen wie zum Beispiel dem Arbeitsumfang oder der Arbeits(un)zufriedenheit; sie repräsentieren aber stets nur kleinere Gruppen gemessen an der Gesamttierärzteschaft. Eine erweiterte BTK-Statistik böte aufgrund der Pflichterhebung durch die (Landes-) Tierärztekammern eine sehr gute Möglichkeit, die strukturelle Entwicklung in der Tierärzteschaft vollständig abzubilden, daraus Prognosen abzuleiten und Strategien für die Zukunft des tierärztlichen Berufsstandes zu entwickeln.

Wünschenswert wäre die Erstellung eines jährlich erscheinenden „Atlas der Veterinärmedizin in Deutschland“, der unter anderem valide Auskunft zur Verteilung der Tierärzteschaft nach Tätigkeitsbereichen, Alters- und Geschlechtsstruktur, Tätigkeitsumfang und regionaler Verteilung gibt.

Lösungswege und Akteure:

  • Bundes- und Landestierärztekammern könnten die Angaben auf den Melde- und Tätigkeitsbögen gemeinsam anpassen und um einige Parameter, insbesondere den Umfang der aktuellen Tätigkeit, bundeseinheitlich ergänzen. Hierbei müssen föderalistische Vorgaben beachtet und gegebenenfalls moduliert werden.
  • In Vorbereitung wäre unter Einbeziehung von Statistikern zu ermitteln, welche Daten kurz-, mittel- und langfristig nötig sind, um eine umfangreiche Analyse und daraus folgende Prognose für die Entwicklungen in der deutschen Tierärzteschaft zu erhalten. Vielleicht könnten hier die universitären Einrichtungen für Biometrie unterstützen, gegebenenfalls in einer Projektarbeit mit Soziologen.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Fragestellung gerichtet werden, welche Kolleg:innen dem tierärztlichen Berufsstand zu welchem Zeitpunkt und wohin verloren gehen (drop-out-Rate). Um den Tierärztemangel tatsächlich zuverlässig zu dokumentieren und zielgerichtet gegenzusteuern, werden außerdem dringend Informationen zu den tatsächlich geleisteten „Tätigkeits-Vollzeitäquivalenten“ benötigt.

In Zusammenarbeit mit den veterinärmedizinischen Fakultäten sollte bei allen Studienabbrechern ermittelt werden, aus welchem Grund der Studiengang nicht abgeschlossen wird. Denn diese Informationen bilden eine wertvolle Grundlage für die frühzeitige Aufklärung von Schülern und Studienbewerbern sowie für eine Anpassung von Zulassungsvoraussetzungen zum Studium und des Curriculums.

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Das Ziel:
Approbierte Tierärztinnen müssen nach einer beruflichen Auszeit (Familienphase) wieder in den Praxisbetrieb integriert werden, um kurzfristig zusätzliche tierärztliche Arbeitskraft zu aktivieren.

Die Demographie-Daten sind eindeutig: Geht die Babyboomer-Generation in Rente, werden die nachfolgenden Generationen den Verlust an Arbeitskraft und Arbeitszeit nicht ausgleichen können. Forschungsinstitute fordern, das „Erwerbstätigenpotential von Frauen“ besser auszuschöpfen. Hierzu müssen nicht nur mehr Frauen arbeiten; sie müssen auch mehr Stunden arbeiten, insbesondere nach der so genannten „Familienphase“.

In den Tierarztpraxen ist der Frauenanteil bereits hoch und verschiebt sich von momentan 68 % konstant Richtung 80 %. Entsprechend hoch ist nicht nur der Anteil der Tierärztinnen, die durch Kindererziehung und Familienarbeit teilzeitbeschäftigt sind, sondern viele steigen deshalb auch (vorübergehend) ganz aus dem Beruf aus.

Lösungswege und Akteure:

  • Tierärztliche Arbeitgebern sollten gezielt angepasste und attraktive Beschäftigungsangebote machen, die eine Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ermöglichen. Während des Beschäftigungsverbotes und während der Familienzeit sollte / muss der Kontakt zum Praxisteam gehalten werden, damit eine schnelle Wiedereingliederung erleichtert wird.
  • Unterstützung können Personalvermittler, Stellenportale oder Fortbildungsanbieter leisten, indem sie
  • eine zentrale Anlaufstelle (Online-Portal) einrichten, die über die Möglichkeiten der Berufsausübung für Wiedereinsteiger informiert und die Rahmenbedingungen aufzeigt.
  • Informationsveranstaltungen anbieten (im Umfeld von Tierarzt-Kongressen o. ä.) und dort über die positiven Veränderungen der letzten Jahre im „Arbeitsmarkt Tiermedizin“ und am „Arbeitsplatz Tierarztpraxis“ berichten.
  • innovative Kursformate entwickeln, um das tierärztliche Selbstbewusstsein auf der Basis praxisnaher Weiterbildung zu fördern („training on the job“). Besondere Bedeutung kommt hier den Landestierärztekammern zu, indem sie als Bindeglied zwischen Arbeitgebern und Wiedereinsteigern fungieren. Einerseits können sie gezielt Kontakt mit potenziellen Wiedereinsteigern aufnehmen, um sie in den Beruf einzuladen. Andererseits müssen sie Wiedereinsteiger und Arbeitgeber auf geeignete Programme hinweisen.

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Das Ziel:
Angestellten Tierärzten muss seitens der Arbeitgeber eine angemessene Wertschätzung entgegengebracht werden, damit mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz erreicht wird.

Eine Wertschätzung der geleisteten Arbeit verdienen beide: Arbeitgeber und angestellte Tierärzte. Doch stehen Arbeitgeber eindeutig in besonderer Verantwortung, den Mitarbeitern attraktive Rahmenbedingungen für die tägliche Arbeit zu schaffen: Hierzu gehören insbesondere geregelte Arbeitszeiten, eine attraktive Bezahlung, die sich an der Entlohnung in anderen Gesundheitsberufen orientiert sowie klare Regelungen zu Not- und Wochenenddiensten unter Einhaltung der geltenden Gesetze (z. B. Arbeitszeiterfassung). Das Abwenden von der Praxis, die abnehmende Bereitschaft zur Tätigkeit in der Praxis sowie sogar das Verlassen des Berufes beruhen in vielen Fällen auf der mangelnden Umsetzung der genannten Punkte.

Lösungswege und Akteure:

Die Lösungen liegen zunächst in der Tierärzteschaft selbst. Anders als Universitäten und Industrie entzieht sich die kurative Praxis noch in zu vielen Fällen den gesetzlichen Regelungen. Konkrete Lösungswege sind daher kurz- und mittelfristig:

  • Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten und eine Vergütung der geleisteten Arbeit nach anerkannten Empfehlungen (z.B. BTK-Empfehlungen, BaT-Standards und Ratgeber des Arbeitskreises Angestellte im bpt).
  • Abschluss eines Tarifvertrages, um angepasste Arbeitszeitmodelle für u.a. Notdienste bei angemessener Entlohnung und Zulagen zu ermöglichen; möglicherweise mit differenzierter Ausgestaltung für Kleintier- oder Nutztierpraxis.
  • Weiterbildungsangebote für Arbeitgeber und Führungskräfte in der Tiermedizin mit Schwerpunkten im Bereich Personalführung, Arbeitsrecht und Kommunikation.
  • Publikation von Positivbeispielen in der tierärztlichen Fachpresse und aktive mediale Begleitung des Wandels.

Es wird deutlich, dass alle in der Tiermedizin Tätigen Teil der Lösung sind; zur Schließung von Tarifverträgen jeweils reine Vertretungen der Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer. Gefordert sind aber auch die Anbieter von Weiterbildungen sowie die Tierärztekammern, die ihre Mitglieder regelmäßig zu diesen Themen Schulung und Aufklärung bieten sollten. Obwohl ein Tarifvertrag viele Anforderungen regeln kann, bietet er keine Gewähr für einen wertschätzende Umgang im Arbeitsalltag. Daher bedarf es besonderer Anstrengungen, dass auch diese „weichen Faktoren“ positiv besetzt werden und Umsetzung finden.

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Das Ziel:
Es muss eine Flexibilisierung der tierärztlichen Arbeitszeit erreicht werden, um den tierärztlichen Notdienst aufrecht zu erhalten und ein fortgesetztes Kliniksterben zu verhindern.

Die Tiermedizin in Deutschland ist eine der wenigen Notdienstbranchen, die keinen eigenen Tarifabschluss für Tierärzte besitzt. Es zählt damit das starre Gerüst des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Die vom ArbZG vorgeschriebene 11-stündige Pause nach einer Arbeitszeit von maximal 10 Stunden steht im deutlichen Widerspruch zum gängigen Schichtbetrieb des 24-h-Notdienstes. Durch diese gesetzliche Regelung werden regelmäßig erhebliche Personalressourcen im zeitaufwändigen Notdienst gebunden.

Lösungswege und Akteure:

  • Goldstandard wäre der Abschluss eines flächendeckenden Tarifvertrages, der automatisch Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung enthält, um die jeweiligen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auszugleichen. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass Mehrarbeit an anderer Stelle sorgsam ausgeglichen wird. Denn neue Arbeitszeitregeln dürfen nicht auf dem Rücken der angestellten Tierärzte ausgetragen werden. Die Einführung von Schichten mit zwölf Stunden Arbeit und zwölf Stunden Freizeitausgleich könnten zu einer flexibleren Gestaltung führen und Personalressourcen schonen. Allerdings sollten 24-h-Schichten, wie sie heute in der Humanmedizin noch üblich sind vermieden werden, da sie zu einer deutlichen Mehrbelastung führen.
  • Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit könnte auch durch gesetzliche Regelungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) herbeigeführt werden.
  • In Einzelfällen sollte ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt gestellt werden. Doch sind die Hürden für solche Einzelfallgenehmigungen erfahrungsgemäß sehr hoch. Außerdem entspricht dies keiner Möglichkeit einer flächendeckenden Arbeitszeitflexibilisierung.
  • Denkbar sind auch Betriebsvereinbarungen, um die Arbeitszeit auf betrieblicher Ebene zu modellieren. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Gründung eines Betriebsrates, eine Struktur, die sich in der Tiermedizin bisher nur in seltenen Ausnahmefällen etabliert hat. Somit sind die Möglichkeiten einer Betriebsvereinbarung eher eingeschränkt.

Fazit: Ein Tarifvertrag (Haustarifvertrag) wäre zielführend und würde eine ordnende Wirkung auf die Branche haben, wenn Gehaltsempfehlungen und Arbeitsbedingungen harmonisiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich flächendeckend Tarifpartner in Deutschland finden werden. Jedoch kann auch ein „lokaler Haustarifvertrag“ z.B. einer Gruppe von Arbeitgebern eine richtungsweisende Funktion erfüllen. Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz sind mit dem Verweis auf bestehende Branchen-Tarifverträge möglich. Diese sind dann in Ihrer Form 1:1 zu übernehmen. In der Humanmedizin ist es nicht unüblich, dass ein Zusammenschluss von lokalen Krankenhäusern einen Haustarifvertrag abschließt.

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Das Ziel:
Die Digitalisierung muss in allen Bereichen der Veterinärmedizin vorangetrieben werden.  Denn nur so können die mit der digitalen Transformation einhergehenden Möglichkeiten der Prozessoptimierung voll ausgeschöpft bzw. kritisch hinterfragt werden.

Die digitale Transformation bietet Möglichkeiten, Personalressourcen effizienter  einzusetzen, Prozesse zu optimieren und Kosten zu reduzieren. Hier liegen Potenziale, die analysiert und berücksichtigt werden müssen. Digitale Geschäftsmodelle müssen insbesondere die Erwartungen jüngerer Tierhalter und Arbeitnehmer erfüllen, die diese an eine moderne, zukunftsorientierte Tierarztpraxis stellen; auch ihre Ansprüche hinsichtlich Kommunikation müssen künftig unbedingt mehr berücksichtigt werden. 

Lösungswege und Akteure:

  • Implementierung digitaler Werkzeuge auf Praxisebene wie innovative Praxismanagementprogramme, Online-Terminvergabe, Videosprechstunden, moderne und interaktive Websites, Social-Media-Nutzung zur Kommunikation, die Integration von multifunktionalen Apps und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Die genannten Instrumente müssen dazu beitragen, dass
    • Prozesse automatisiert und effizienter gestaltet werden, so dass die Arbeitsbelastung des Einzelnen sinkt.
    • flexiblere Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten von nicht-regional ansässigem Personal möglich werden.
    • Kundenkommunikation und Kundenbindung verbessert werden.
  • Vermittlung oder Mobilisierung der notwendigen digitalen Kompetenzen bzw. Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur, die von Menschen belebt wird, die eine Affinität für digitale Themen mitbringen. Die universitären Einrichtungen nehmen hier eine Vorbildfunktion ein.
  • Die Landestierärztekammern müssen entsprechende Fortbildungen zur Aneignung digitaler Kompetenzen fördern und anerkennen.
  • Die Tierarztpraxis muss befähigt werden, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und diese strategisch umzusetzen. Dazu gehört in jedem Fall der Ausbau der digitalen Infrastruktur, den neuen Anforderungsprofilen angepasste Arbeitsplätze sowie die Bereitschaft zu Investitionen in Personalschulungen.

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Das Ziel:
Tierärztinnen und Tierärzten aus Drittstaaten, die kein Mitglied der EU sind, sollte der Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden, so dass sie schneller integriert werden können und als Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Aktuell zieht sich die Gleichwertigkeitsprüfung des Abschlusses je nach Bundesland über Monate hin. Eine vorübergehende Berufserlaubnis wird für die Zwischenzeit nur dann erklärt, wenn die „Abgeschlossenheit“ des Tiermedizinstudiums festgestellt wurde. Ergeben sich bei der Gleichwertigkeitsprüfung wesentliche Unterschiede zum deutschen Staatsexamen, müssen Kenntnisprüfungen abgelegt werden. Anzahl und Umfang dieser Prüfungen werden für jeden Einzelfall ermittelt, und die Inhalte variieren je nach prüfender Bildungsstätte. Abhängig vom Herkunftsland und Ausbildungsumfang können bis zu 15 Kenntnisprüfungen gefordert werden. Erst dann darf der Beruf als Tierarzt selbstständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden. Eine große Rolle spielen dabei Fächer, in denen die gesetzlichen Bestimmungen von Drittländern im Vergleich zur EU weit auseinandergehen. Hingegen kann in den fünf klinischen Fächern durch langjährige Berufstätigkeit eventuell ein Ausgleich erlangt werden. Eine häufig angewandte Richtlinie für die Behörden ist die Forderung nach mindestens vier Jahren Berufserfahrung in Deutschland bzw. fünf Jahren im Ausland. Eine wesentliche Voraussetzung, damit überhaupt ein Antrag auf Anerkennung des ausländischen tierärztlichen Abschlusses gestellt werden kann, ist der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse, in der Regel mindestens ein B2-Sprachniveau.

Lösungswege und Akteure:

  • Die Antrags- und Anerkennungsverfahren müssen vereinheitlicht und weniger langwierig gestaltet werden. So könnten insbesondere erfahrene Kolleginnen und Kollegen effektiver eingesetzt und integriert werden.
  • Es wäre wünschenswert, dass der Prüfungsstoff vereinheitlicht wird und Lernunterlagen zentral bereitgestellt werden. Ein Beispiel ist die Plattform support4vetmed.de.
  • Zukünftige Arbeitgeber sollten aktiv Unterstützung in der Weiterbildung anbieten. Denkbar wären auch kollegiale Fonds, die auf diesem Weg finanzielle Entlastung bieten. Für das Erlernen der deutschen Sprache sowie der notwendigen Fachsprachkenntnisse bestehen bereits entsprechende Angebote (deutschkurs-tieraerzte.de).
  • Kolleg:innen aus Drittländern mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung und grundsätzlicher Arbeitserlaubnis sollten während des Anerkennungsverfahrens aktiv in die Praxen integriert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass genügend Zeit eingeräumt wird, um sich auf die Kenntnisprüfung vorzubereiten und die später dringend notwendigen Sprachkenntnisse anzueignen. Diese Unterstützung und Wertschätzung während der ersten Jahre zahlen sich später durch eine kollegiale Mitarbeit aus.
  • Die zuständigen Stellen sollten prüfen, ob eine Begrenzung der Kenntnisprüfung auf Fächer möglich ist, die anschließend für die jeweilige tierärztliche Berufsausübung relevant sind.

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Das Ziel:
Praktizierende Tierärzte sollten sich im Alltag trotz ihrer Verantwortung für Dokumentation und Praxisführung auf Ihren Arbeitsschwerpunkt – die Tiermedizin – konzentrieren können. Die knappe Ressource „Zeit“ und das meist große persönliche Engagement müssen vorrangig den Patienten und ihren Besitzern zukommen.

Umfangreiche Dokumentationspflichten, sowie zahlreiche Aufgaben im Bereich des Praxismanagements (Personalführung, Betriebswirtschaft, Prozesssteuerung, u. v. m.) belasten sowohl Praxis- oder Klinikleitung als auch angestellte Tierärzte. Denn diese Tätigkeiten stehlen Zeit am Patienten; und zwar umso mehr, je ausgeprägter die betroffenen Tierärzte Leitungs- und Führungsaufgaben innehaben. Erschwerend kommt hinzu, dass die tierärztliche Ausbildung nahezu gar nicht auf diese Aufgaben vorbereitet. Damit sinkt einerseits die Motivation zur Beschäftigung mit diesen essenziellen Fragen der Praxisführung. Andererseits werden Aufgaben des Praxismanagements gerne in die Freizeit verlegt, um den Fokus auf die tierärztliche Arbeit nicht zu verlieren. Das Ergebnis sind nicht selten familiäre Konflikte und langfristig Erschöpfung oder gar ein Burnout.

Lösungswege und Akteure:

Zuarbeitende Berufe wie die tiermedizinische Fachangestellte und die Praxismanagerin können in vielen Aufgabenbereichen unterstützen oder diese sogar vollständig übernehmen. Hierzu bedarf es an einigen Stellen sicherlich einer umfangreicheren Ausbildung. Andererseits muss die Praxisleitung bereit sein, Aufgaben, Kompetenzen, Rechte und Pflichten vertrauensvoll zu übergeben.

  • Für tiermedizinische Fachangestellte sollten Zusatzqualifikationen definiert und offiziell anerkannt werden. Es wären Weiterbildungs- und Entwicklungsangebote denkbar, die in Richtung eines “Physician Assistent“ (Vergleich Humanmedizin) qualifizieren. Mit der Ausführung erweiterter oder gar neuer pflegerischer, diagnostischer oder medizinischer Tätigkeiten würden Handlungs- und Kompetenzspielraum der TFA rechtssicher erweitert, so dass der tierärztlichen Fachkraft mehr Zeit für wirklich drängende Verwaltungsaufgaben blieben.
  • Die Beschäftigung einer Praxismanagerin bzw. eines Praxismanagers kann in nahezu allen Bereichen der Unternehmensführung Entlastung schaffen. Vor allem in den Bereichen Unternehmensführung, Kommunikation, Personalwesen und Betriebswirtschaft kann eine Praxismanagerin zum Führungsteam einer Praxis gehören. Mit einer entsprechenden Qualifikation durch Studium oder Bachelorabschluss könnten diese Fachbereiche professionell übernommen werden. Für die nahe Zukunft ist eine offizielle Anerkennung des Berufs der Praxismanagerin oder des Praxismanagers nötig. In diesem Rahmen müssen Berufsbild und Stellenprofil allgemein gültig definiert werden. Und auch Studierende der Veterinärmedizin sollten bereits im Studium mit diesem Tätigkeitsfeld vertraut gemacht werden.

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Das Ziel:
Bewerbungen dürfen zukünftig nur auf einen medizinischen Studienplatz ausgerichtet werden.

Aktuell sind gleichzeitige Bewerbungen für Medizin, Veterinärmedizin, Pharmazie und Zahnmedizin möglich. Bewerber nehmen automatisch an allen vier Quoten teil.

Lösungswege und Akteure:
Gleichzeitige Bewerbungen für Veterinärmedizin, Medizin, Pharmazie und Zahnmedizin dürfen nicht mehr zugelassen werden. Die aktuelle Regelung muss sehr zeitnah im Einvernehmen mit der Stiftung für Hochschulzulassung Dortmund, den Hochschulen und Ministerien dergestallt novelliert werden, das Bewerber sich für einen Medizinstudiengang entscheiden müssen.
Akteure sind die Stiftung für Hochschulzulassung Dortmund, Hochschulen und Ministerien.

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Das Ziel:
Es müssen einheitliche Zulassungsvoraussetzungen für das Studium der Veterinärmedizin in Deutschland geschaffen werden.
Bewerbungen zum Studium der Veterinärmedizin erfolgen über die Stiftung für Hochschulzugang, Dortmund. Die Stiftung vergibt die Studienplätze nach drei Kriterien:

  1. Abiturbestennote (30% der Studienplätze)
  2. Zusätzliche Eignungsquote (ZEQ – 10% der Studienplätze)
  3. Auswahlverfahren der Hochschule (AdH – 60% der Studienplätze)

Aktuell gibt es also an den fünf tierärztlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland keine einheitlichen Auswahlkriterien. Das gilt insbesondere für die zusätzliche Eignungsquote und das Auswahlverfahren der Hochschule, die zusammen über fast drei Viertel der Studienplätze entscheiden. Vor allem Berufsausbildung und Berufstätigkeit werden von den Fakultäten sehr unterschiedlich bewertet. Während diese Kriterien an der FU Berlin keine Berücksichtigung finden, würdigt die Veterinärmedizinische Fakultät Leipzig diese Kriterien mit 20 Prozentpunkten.   

Lösungswege und Akteure:

  • Die fünf tierärztlichen Bildungsstätten müssen Ihre Auswahlkriterien für das Studium der Veterinärmedizin unbedingt zeitnah einheitlich gestalten und beschließen. Das betrifft die zusätzliche Eignungsquote und die Hochschulquote. Die Wertung der Berufsausbildung und Berufstätigkeit sowie die Wertung des TMS-Tests muss bundesweit einheitlich sein.
  • Diskussion und Prüfung der Wiedereinführung von Auswahlgesprächen und Eignungstests an den Fakultäten bzw. Hochschulen unter Einbeziehung der Tierärztekammern.
  • Die tierärztlichen Bildungsstätten sollen Bewerber mit Vorkenntnissen in den naturwissenschaftlichen Fächern eine hohe Priorität bei der Zulassung zum Studium zuerkennen. Grundkenntnisse in diesen naturwissenschaftlichen Fächern sind für das Vorphysikum, den naturwissenschaftlichen Abschnitt des Studiums, notwendig.

Akteure sind die fünf Fakultäten bzw. Hochschulen, Dekane und Studiendekane des Veterinärmedizinischen Fakultätentages und die Delegierten der Tierärztekammern. Der Dessauer Zukunftskreis und die tierärztlichen Verbände können beratend zur Seite stehen.

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Das Ziel:
Die das Studium begleitenden Praktika müssen so gestaltet werden, dass sie die Studierenden in Ihrer Studienwahl nach Möglichkeit bestätigen, im Erlernen praktischer Tätigkeiten unterstützen und die Motivation zum Abschluss des Studiums mit nachfolgendem Berufseinstieg fördern.

Während des Praktikums müssen die Studierenden ein realistisches Bild vom Arbeitsalltag bekommen; beschönigen hilft hier sicherlich nicht. Doch zeigen Gespräche mit Kolleg:innen durchaus, dass die das Studium begleitende Ausbildung des tierärztlichen Nachwuchses auf Praxisebene nicht selten stiefmütterlich behandelt wird. Das Ergebnis sind scheinbar unmotivierte Praktikanten und frustrierte Praxisinhaber, die auf den Nachwuchs schimpfen, der sich scheinbar nicht engagieren will.

Doch es geht auch anders! Wer bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA ein Praktikum machen möchte, muss sich schriftlich bewerben und jeweils zum Einstieg bzw. Ausstieg einen englischsprachigen Vortrag halten. Ist der Platz ergattert, warten ein Büro mit Namensschild auf den Praktikanten sowie persönliche Unterlagen zum Unternehmen. Und selbst wenn das eigene Büro in den meisten Fällen nicht realisierbar ist, kann man aus diesem Beispiel folgende Anregungen ableiten:

Lösungswege und Akteure:

  • Eine systematische Begleitung bzw. Betreuung der Praktikanten durch einen Klinikmitarbeiter: ein fester Ansprechpartner gibt Sicherheit, Motivation und gewährleistet eine schnelle Einarbeitung in das Unternehmen.
  • Sowohl das Praktikum als auch die Position des Praktikanten müssen aufgewertet werden. Um Enttäuschungen auf beiden Seiten zu vermeiden, sind Vorstellungsgespräche sinnvoll, in denen die beiderseitigen Erwartungen an das Praktikum formuliert werden.
  • Auch für Praktikanten sollte ein definierter Onboarding-Prozess erarbeitet werden, der eine rasche Einarbeitung ermöglicht. Eine gute Vorbereitung zeigt außerdem, dass sich das Unternehmen auf den Praktikanten freut und seinen Aufenthalt in der Praxis oder Klinik wertschätzt.
  • Konkrete Aufgaben und ein abschließender Praktikumsbericht beziehen den Praktikanten in die Klinikaktivitäten ein und fördern die Teambildung.
  • Ein freiwilliges, vertraglich zu vereinbarendes Praktikums-Entgelt demonstriert Wertschätzung für die im Unternehmen verbrachte Zeit.

Notwendige Akteure sind die Praxen selbst bzw. die Mitarbeiter auf allen Ebenen. Grundlagen hierzu werden auch von der Task Force „Ausbildungspraxis“ der bpt-Fachgruppe Junges Netzwerk erarbeitet.

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Das Ziel:
Das Berufsbild des Tierarztes muss in seiner vollen Vielfalt und Breite für die Öffentlichkeit sichtbar werden, um für die Gesellschaft und den Berufsstand den bestmöglichen gemeinsamen Nutzen zu generieren.

Die breite Öffentlichkeit hat häufig nur ein verklärtes und nicht selten wirklichkeitsfremdes Bild vom tierärztlichen Beruf. Diese Einschätzung gilt gleichermaßen für Patientenbesitzer bzw. Kunden und potenzielle Studienbewerber; mit direkten und indirekten Auswirkungen auf

  • Studienplatzanwärter, die zu einer Entscheidung für das Studium der Tiermedizin bzw. den tierärztlichen Beruf finden müssen.
  • die Akzeptanz und Wertschätzung des tierärztlichen Berufes/ Berufsstandes in der Öffentlichkeit, besonders auch im Vergleich zum Humanmediziner.
  • die Wahrnehmung des tierärztlichen Berufsstandes als systemrelevanter Beruf mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.

Lösungswege und Akteure:
Lösungsansätze müssen von der Tierärzteschaft (Praxen, Kliniken, Ausbildungsstätten, Verbände, Behörden) wie auch von assoziierten Branchen (Industrie, Personaldienstleister, private Fortbildungsanbieter) entwickelt und getragen werden. Voraussetzung ist ein solides Selbstverständnis bzw. Selbstbewusstsein aller Akteure.

Ausbildungsstätten, Behörden, Personaldienstleister, private Fortbildungsanbieter können  unterstützen, indem

  • Hilfestellung bei einer realistischen Einschätzung der angestrebten tierärztlichen Tätigkeit gegeben wird; und zwar frühzeitig auf Basis der persönlichen Stärken und Neigungen der Bewerber (z.B. Forschung und Lehre, kurative Praxis, amtliche Tätigkeit, Wirtschaft und Industrie, usw.).
  • schon während des Studiums spezielle Module angeboten werden, die der angestrebten Ausrichtung des Berufes entsprechen.
  • besonders herausgestellt wird, dass der tierärztliche Beruf systemrelevant ist und eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung hat.
  • eine akademisch-wissenschaftliche Ausrichtung des Berufsstandes mit forschender und lehrender Funktion erhalten bleibt.

Tierärztliche Berufsverbände, potenzielle Arbeitgeber sowie öffentliche Institutionen sollten realistisch, wertschätzend und umfassend über die beruflichen Möglichkeiten eines approbierten Tierarztes informieren. Ansätze dafür wären:

  • Beiträge auf Informationsveranstaltungen für Nichttierärzte und für Tierärzte z.B. vor Beginn des Studiums und anlässlich von Tagungen oder Messen. Wichtig wären aber auch Social-Media-Kanäle und leicht zu findende Plattformen.
  • Der gezielte Aufbau von Informationsbroschüren.
  • Vortragsveranstaltungen, deren Inhalte auch nachträglich verfügbar sind.
  • Die Einführung von Patengruppen für Universitäten, in denen Kollegen aus allen Bereichen des tierärztlichen Berufsstandes die Anwärter auf einen Studienplatz beraten, Entscheidungshilfen bei der Spezialisierung geben oder bei grundsätzlichen Überlegungen zur späteren Ausrichtung zur Seite stehen (Praxis, Behörde, Industrie, Forschung).

News und Recherchematerial zu diesem Themenkomplex

Die Problematik des Fachkräfte- bzw. Personalmangels ist auch in der Veterinärmedizin mit voller Wucht angekommen. Die Auswirkungen sind auf allen Ebenen spürbar: Praxis, Industrie, Verwaltung sowie Lehre und Forschung. Die Ursachen liegen in gesamtgesellschaftlichen (sozio-demografischen) Entwicklungen, die auch mit einem neuen Blick auf das Thema Arbeit einhergehen, in einem Konflikt zwischen gesetzlichen Rahmenbedingungen  und der Realität eines von Nacht- und Notdiensten geprägten Arbeitsalltages und schließlich auch im Selbstverständnis einer Branche, die sich endlich fragen muss, wie sie sich für alternative Modelle der Lebensplanung junger Arbeitnehmer attraktiv und zukunftsorientiert aufstellen kann.

Mit dem Wörlitzer Memorandum versuchen Vertreter aus allen Sparten eine aktuelle Zusammenfassung der Problematik mit dem Fokus auf Lösungsansätzen. Dabei sollte es explizit erlaubt sein, alle Optionen zu denken, unabhängig vom zeitlichen Horizont der konkreten Umsetzung.

Der Dessauer Zukunftskreis und die Teilnehmer der Tagung in Wörlitz wollen mit dem Wörlitzer Memorandum einen Impuls für einen „runden Tisch“ geben, an dem alle veterinärmedizinischen Interessensverbände inklusive Politik und Gesellschaft teilhaben.

Wörlitz, den 21.12.2022
Für die Autoren: Dr. Rolf Nathaus, Hubertus Keimer, Dr. Julia Henning

Autoren (alphabetisch)
Prof. Dr. Leo Brunnberg, Jörg Held, Dr. Julia Henning, Hubertus Keimer, Dr. Rolf Nathaus, Dr. Arno Piontkowski, Dr. Dirk Remien, Prof. Dr. Johannes Seeger, Kathrin Siemer, Dr. Severine Tobias, Dr. Olaf Türck, Dr. Christian Wunderlich sowie die Mitglieder des Dessauer Zukunftskreises und ihre Gäste.

Initiatoren: